Die Seiten 23/24 aus dem Buch:
"Der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Emil Rosenow[1] hat um 1900 in seinem Volksstück „Kater Lampe“, das in erzgebirgischer Mundart geschrieben ist und in Rothenthal spielt, die katastrophale Situation angeprangert, unter der die erzgebirgischen Spielwarenhersteller arbeiten und leben mussten. Er schildert die Verhältnisse im Dorf mit großer Sachkenntnis, aber auch mit Humor.
40 bis 60 Dreher, darunter auch böhmische Saisonarbeiter,[2] arbeiteten damals in den Rothenthaler Drehwerken im Natzschungtal. Auf ihrem Höhepunkt war zu jener Zeit die Auseinandersetzung zwischen den Handwerksmeistern und den Verlegern und Fabrikbesitzern.
Die Handlung des Volksstücks beruht auf wahren Begebenheiten und die handelnden Personen gab es tatsächlich. Es geht um den Kater des Gesellen Merkel, der das Dorf „aufmischt“ und am Ende, praktisch als tragisches Opfer der Machtverhältnisse in der Bratpfanne landet. Die am Festmahl teilnehmenden Gäste denken, sie würden einen Hasenbraten verspeisen.
Die Komödie wurde 1902 in Breslau uraufgeführt, 1903 zeigte sie das Berliner Theater. Das Stück ist inzwischen dreimal verfilmt worden. Im DDR-Fernsehfilm von 1967 spielten berühmte DDR-Schauspieler wie Fred Düren, Helga Göring, Inge Keller, Ingeborg Krabbe und Wolfgang Sasse. In erzgebirgischen Theatern wird das Stück bis heute immer wieder aufgeführt. Mir hat es auch jetzt noch Spaß gemacht, die Komödie erneut zu lesen. Man kann sich gut in die Zeit versetzen.
Aber zum Zusammenhang mit den Räuchermännchen: Die Rothenthaler Drechsler haben sich der Figuren von Rosenow angenommen. Sie drechselten drei von ihnen nach Entwürfen von Peter Stephani als Räuchermännchen. Georg Gröschl fertigte den sympathischen und standhaften Holzdrechslermeister Schönherr mit Sack und Kanne in der Hand, Manfred Zänker den reichen und durchtriebenen Spielwarenverleger Neubert, den Sie auf der Abbildung sicher sofort an der Zigarre erkennen, und Peter Stephani selbst den eitlen Bezirksgendarmen Weigel mit dem Kater auf dem Arm. Klaus Schlesinger fügte noch einen Feuerwehrmann hinzu.[3] Nach der gelungenen Räuchermännchen-Premiere 1976 wurden die Figuren 2001 neu aufgelegt. Das sich bei mir sieben von den rauchenden Kater-Lampe-Figuren eingefunden haben mag daran liegen, dass ich jahrelang in Grünthal in der Rothenthaler Straße wohnte. Mir waren schon als Kind die Geschichte aus dem Nachbarort und ihre Figuren vertraut.
Das mit der Katze und dem Hasenbraten erschien mir als Kind gar nicht so abwegig. In den Hunger-Jahren nach dem Krieg verschwanden bei uns im Dorf immer wieder Katzen. Unsere Spielkameraden weinten, wenn ihre Schmusekatzen von den Streifzügen nicht zurückkamen. Die Erwachsenen sprachen dann hinter vorgehaltener Hand von den Dachhasen, die den Weg in die Kochtöpfe gefunden haben.
In unserer Familie gab es Hasenbraten (richtiger: Kaninchenbraten) immer nur zu Familienfesten. Was bei uns auf den Tellern lag, war in den eigenen Ställen gewachsen. Wir hatten die Kaninchen selbst gefüttert und ihren Stall ausgemistet. Entsprechend gemischt waren deshalb auch unsere Gefühle. Seit bei uns aber Katzen zur Familie gehören, gibt es auch keinen Hasenbraten mehr."
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[1] 1871 – 1904. Bei den Wahlen 1898 gewählt in den Hauptamtsmannschaften Marienberg und Zschopau.
[2] Deshalb gab es hier früh schon die Besonderheit des Linksdrehens, bei dem der Drechsler links vom Spindelstock arbeitet. Heute steht eine Linksdrehbank in der Drechslerei von Heiner Stephani. Siehe auch: Flade, H.: Olbernhau, a.a.O., S. 68 ff.
[3] Siehe: www.drechslerei-stephani.de/shop-54-1525.html. Keinesfalls wollten die Rothenthaler Drechsler „Berliner Typen“ schaffen, wie es heute im Antikhandel gelegentlich zu ihren Figuren heißt!"
Tafel im Heimatmuseum Olbernhau